Antifeminismus in den Medien am Beispiel Transfeindlichkeit

Veranstaltungsdokumentation

Welche Diskurse nutzen antifeministische und/oder transfeindliche Akteur*innen? Was sind die Themen und Narrative? Was sind Gegenstrategien? Ein Blick in die Presse & Kampagnen-Toolbox des Bundesverband Trans* e.V.

Foto vom Workshop "Antifeminismus in den Medien am Beispiel Transfeindlichkeit"

Workshopbericht von Gabriel_Nox Koenig (BVT e. V.) im Rahmen der Netzwerktagung "Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken" am 17./18. Oktober 2022.

1) Nach einer kurzen Vorstellungsrunde begann der Workshop mit der Methode der „stillen Diskussion“: Auf einem Tisch war ein großes Flipchart ausgebreitet. In der Mitte stand die Frage „Welche Diskurse/Behauptungen/Narrative nutzen trans*feindliche und/oder antifeministische Akteur*innen?

Die Aufgabe war Punkte zu sammeln, die den Teilnehmenden durch den Kopf gingen, im Schreiben aufeinander Bezug zu nehmen – und dadurch einen Überblick über die verwendeten Narrative zu erhalten.

Brainstorming zu „Welche Diskurse/Behauptungen/Narrative nutzen trans*feindliche und/oder antifeministische Akteur*innen?"
Methode der „stillen Diskussion“

2) Nach dem Schreibphase hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, sich einen Überblick über die geschriebenen Diskurse/Behauptungen/Narrative zu verschaffen. Dazu stellten sich alle Personen im Kreis um den Tisch auf, auf dem das Flipchart lag.

Die Stimmung war sehr angespannt – immerhin hatten alle zusammen gerade viel der Diskriminierung und Gewalt reproduziert, die in (Sozialen) Medien trans* und nicht-binären Personen entgegenschlägt.

3) Aus diesem Grund begann die Auswertungsrunde mit einem Warm-Up: Immer Klatschspiel: Die Teilnehmenden standen im Kreis und immer zwei Personen sollten sich zuwenden und gleichzeitig Klatschen. Der Klatscher reiste im Kreis und konnte durch bestimmte Klatschmuster die Richtung wechseln. Als er eine Runde herum und wieder bei der workshopgebenden Person angekommen war, endete die Methode.
Im Anschluss wurde das Spiel ausgewertet: Warum hatte die Gruppe an genau dieser Stelle gespielt?
Die Auseinandersetzung mit diskriminierenden Inhalten versetzt Personen in die Panikzone/aktiviert Ängste und Kampf/Fluchtmuster. So viele trans*feindliche und antifeministische Aussagen an einem Ort gesammelt zu sehen, kann Hilflosigkeits- und Ohnmachtsgefühle auslösen. Um den Stress im Körper abzubauen und das Nervensystem zu regulieren, wurde das Spiel eingesetzt. Das Klatschen bringt Personen zurück in Kontakt mit sich und ihrem Körper. Es wurde viel gelacht und nachdem der Klatscher die Runde gemacht hatte, waren die Teilnehmenden viel gelöster.
Das Warm-Up diente somit auch als Erinnerung daran, sich selbst gut zu regulieren, wann auch immer Personen mit trans*feindlichen/antifeministischen oder diskriminierenden Aussagen konfrontiert sind. In einem (soweit) regulierten Zustand sind Menschen besser in der Lage, abgegrenzt zu bleiben und trans*feindliche/antifeministische Aussagen kreativ zu kontern und eine Metaebene einzunehmen. Diese war das Ziel in der folgenden Workshop-Phase:

4) Die Teilnehmenden sollten die Aussagen auf der Metaebene betrachten. „Was sehen wir? Was fällt auf?“ waren die Fragen, die gestellt wurden:

  • Das Schüren von Ängsten (beispielsweise indem Bedrohungen konstruiert werden oder auch indem Machtverlust in Aussicht gestellt wird, wenn marginalisierte Gruppen Zugänge und Rechte erhalten)
  • Angriff auf marginalisierte Gruppen, zu denen Teilnehmende teilweise selbst gehören -> starker Stressmoment
  • In Medien wird diskutiert, ob trans* Personen Menschenrechte verdienen, nicht wie diese hergestellt werden können. Damit wird eine Stimmung erzeugt, die einerseits Menschenrechte als optional herstellt, aber auch unterstellt, dass nicht alle Personen Menschenrechte haben können (in den konkreten Beispielen wurde suggeriert, dass entweder cis Frauen oder trans* Frauen /trans* Personen Rechte, Zugänge und Schutz vor Gewalt haben können, aber nicht alle diese Gruppen gleichzeitig)
  • Da diese Aussagen in Medien getätigt werden, die sich als in der politischen „Mitte“ verortet begreifen, werden trans*feindliche und/oder antifeministische Aussagen in die gesellschaftliche „Mitte“ getragen – die dadurch anschlussfähig für rechte und menschenfeindliche Narrative wird

5) Im weiteren wurde die Frage diskutiert, warum auch die politische „Mitte“ offen ist für die gesammelten Narrative, aber auch für die aufgezählten Mechanismen:

  • Transgeschlechtlichkeit wurde erst 2018 von der WHO entpathologisiert, der ICD11 gilt zwar seit dem 01.01.2022 auch in Deutschland, ist aber noch nicht in die Praxis umgesetzt -> weite Teile der Bevölkerung kennen Transgeschlechtlichkeit nur als Personlichkeitsstörung
  • Die Zweigeschlechterordnung gilt als natürlich und als biologischer Fakt. Dass die Biologie seit rund 20 Jahren keine zwei Geschlechter mehr nachweisen kann und Geschlecht auch biologisch als Spektrum aufgefasst wird, ist noch nicht im Alltagswissen der breiten Bevölkerung angekommen.
  • Rechte Aussagen, die marginalisierten Gruppen Rechte absprechen, sehen aus der privilegierten Perspektive meist nur nach Erhalt der Normen aus, die die Leben der privilegierten Gruppen ganz selbstverständlich strukturieren. Diese Selbstverständlichkeiten loszulassen, löst Unbehagen und Ängste aus, die einen Nährboden für die konstruierten Ängste bilden.

6) Im zweiten Teil des Workshops wurden Kleingruppen gebildet, die der Frage nachgingen, wie reagiert werden kann und wie bereits reagiert wird:

  • Welche Tools können gegen diese Diskurse/Behauptungen/Narrative eingesetzt werden?
  • Welche Tools werden von Teilnehmenden des Workshops bereits eingesetzt?
  • Welche Tools haben Teilnehmende bei anderen Initiativen und Akteur*innen beobachten können?

Es entstand eine facettenreiche Sammlung, die nicht nur die Handlungsfähigkeit der Teilnehmenden stärken sollte, sondern auch weitere Handlungsmöglichkeiten aufzeigen sollte: Die Teilnehmenden inspirierten sich gegenseitig.

Brainstorming zu „Welche Tools gibt es gegen Transfeindlichkeit?"
Brainstorming zu „Welche Tools gibt es gegen Transfeindlichkeit?"

Jede Kleingruppe stellte die von ihr gesammelten Tools/Handlungsmöglichkeiten vor.

7) Parallel wurden weitere Gedanken zu den Ideen notiert, die den Teilnehmenden im Laufe der Präsentation der Kleingruppenergebnisse einfielen bzw. ergänzend genannt wurden:

  • Wenn trans*feindliche und/oder antifeministische Medienberichte in Netzwerken geteilt werden: PDF/Screenshots versenden, um dem Inhalt keine zu hohen Klickzahlen zu bescheren. Hohe Klickzahlen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Redaktion ähnliche Artikel wieder schreibt.
  • Medienanalyse betreiben: Welche Talkingpoints werden wieder und wieder gemacht? Basierend darauf beispielsweise Erklär-PDFs, Statements, Social Media Posts gestalten, um Richtigstellungen zu verbreiten, ohne zu reaktiv zu wirken
  • Debunking von Mythen/Falschannahmen reicht nicht aus, um den Diskurs in eine andere, positivere Richtung zu kippen: eigene Narrative setzen!
  • Aussagen einordnen: Viele Aussagen und Mythen sind ahistorisch (Seit wann gibt es die Form der Geschlechterstereotypen, wie sie heute als natürlich dargestellt werden?) und gehen davon aus, dass es eine menschliche „Natur“ gibt, die sozusagen vordiskursiv ist. -> Texte/Social Media Posts/TikTikVideos, die das thematisieren
  • Es ist immer wichtig, die Verschränkung von Diskursen zu beachten und solidarisch zu sein.
  • Bildsprache ist wichtig, wird zu oft vernachlässigt: Welche Personen sind auf Bildern zu sehen? Was wird damit kommuniziert?
  • Reaktionsweisen auf trans*feindliche und/oder antifeministische Inhalte müssen an den Kontext angepasst werden: Geht es um allgemeine Berichte oder richtet sich der Bericht gegen eine Einzelperson? Wird (z.B. auf Social Media) eine Person in meinem Nahfeld gezielt angegriffen oder dreht es sich um trans*feindliche und /oder antifeministische Kommentare unter einem positiven Bericht. -> Je nach dem müssen die Prioritäten anders gesetzt und andere Strategien gewählt werden.
  • Arbeitsteilung: Wer macht was? -> je toxischer die Diskussion, je menschenfeindlicher die Aussagen, kann es sinnvoll sein, dass Personen, die selbst nicht von der diskutierten Diskriminierungsform betroffen sind, in der ersten Reihe stehen und gegenhalten. (Beispiel: Cis Allys lesen die Kommentare, die eine trans* oder nicht-binäre Person im Rahmen eines Shitsstorms bekommt, screenshotten die rechtlich relevanten und löschen den Rest).
  • Menschenrechte: Wenn ich mich in der Diskussion auf das Inhaltliche eingelassen habe (und daher das Für und Wider eines antifeministischen und/oder trans*feindlchen Mythoses diskutiert habe), komme ich kaum noch auf die Menschenrechtsebene -> auf welcher Ebene will ich diskutieren? Wann ist was sinnvoll?
  • Sich auf Angriffe vorbereiten: Ein*e Teilnehmer*in berichtete von der Veröffentlichung einer Broschüre für Pädagog*innen, die mit Argumenten wie „Frühsexualisierung“ stark angegriffen wurde. -> Wenn schon klar ist, dass eine kommende Veröffentlichung Angriffe rechter Netzwerke zur Folge haben kann, ist es gut, sich darauf vorzubereiten und beispielsweise nicht nur die Broschüre, sondern auch eine passende Pressemitteilung zu veröffentlichen, die mögliche Angriffspunkten von vorneherein den Wind aus den Segeln nimmt.
  • Wenn Personen BA- oder MA-Arbeiten zu LSBTIQA+ Themen schreiben, über Formen der Veröffentlichung nachdenken: Fachartikel, Blogpost auf eigenem Blog, Gastbeitrag auf Blog einer anderen Person, Social Media Inhalte dazu gestalten, ein Zine herausgeben…
  • Vernetzen, vernetzen, vernetzen: Aktiv der Vereinzelung begegnen, Verteiler aufbauen, Support-Netzwerk schaffen, das koordiniert gegen Angriffe/antifeministische und_oder trans*feindliche Narrative/Behauptungen/Diskurse reagieren kann
  • Sich gegenseitig empowernde Nachrichten schreiben (beispielsweise gezielt an Personen, die gerade akut angegriffen werden)
  • Generell darauf achten, empowernde Inhalte zu teilen, weit zu streuen und ihnen Reichweite zu schenken
  • Sich in sehr positiven Kommentarspalten einbringen und selbst auch einen lobenden/aufbauenden/empowernden Kommentar posten.
  • Selfcare: You can’t pour from an empty cup. –> sehr bewusst damit umgehen, wie viel gerade machbar ist, ressourcenschonend arbeiten, um nicht auszubrennen

8) Der Workshop endete mit einer Abschlussrunde zu der Frage, wie es den Teilnehmenden jetzt geht, und welche Aktionsform sie besonders angesprochen hat – vielleicht auch, um sie in naher oder weiter Zukunft umzusetzen, anzuregen oder zu unterstützen.