Ende September 2023 fand die Netzwerktagung des Verbundprojekts Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken in Nürnberg statt, dieses Jahr mit einem Schwerpunkt auf „Bildung und Soziale Arbeit“. Nach 48-Stunden intensiven Austauschs in verschiedenen Panels, Workshops und Kaffeepausen mit dem Verbundprojekt und den zahlreichen Gäst*innen war einmal mehr klar, warum die Beschäftigung mit Antifeminismus so wichtig ist, um intersektionale feministische Anliegen verteidigen und weiterbringen zu können. Ein alphabethischer Einblick.
A: Antifeminismus – Was ist das eigentlich
Zum interaktiven Einstieg der Tagung wurde die Antifeminismus Definition des Verbundprojekts vorgestellt und anschließend in Kleingruppen durch die Erfahrungen der Teilnehmer*innen diskutiert und ergänzt. Die Expertise der Einzelnen konnte so der gesamten Gruppe zugänglich gemacht werden.
B: Begegnung und Austausch
Im Zentrum der Tagung standen Begegnungen. Es war besonders schön zu beobachten, wie sich in Kaffeepausen die Workshop-Gespräche fortsetzten, neue Kompliz*innen gefunden und Wissen vernetzt wurde. Hervorzuheben ist dabei auch das rücksichtsvolle Miteinander der Teilnehmenden.
C: Chance – Nicht nur reagieren
Antifeminismus ins Zentrum einer Tagung zu stellen, birgt mitunter auch die Gefahr, sich am Dagegen abzuarbeiten und in der dauerhaften Reaktion zu verbleiben. Doch während der Tagung wurden immer wieder auch die Chancen von feministischer sozialer Arbeit und Bildungsarbeit betont, erfolgreiche Beispiele geteilt und gemeinsame Strategien aufgezeigt und diskutiert.
D: Demokratie in Deutschland
Antifeministische Tendenzen sind nicht „nur“ für Themen rund um sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eine Bedrohung, sondern insgesamt einem demokratischen und gleichberechtigten pluralistischen Zusammenleben feindlich gestimmt. Hintergründe zum Zusammenhang zwischen Antifeminismus und Demokratiefeindlichkeit lassen sich auch in der Leipziger Autoritarismusstudie nachlesen.
E: Emotionen
Auch Emotionen spielen in der Beschäftigung mit Antifeminismus eine Rolle, insbesondere in der Bildungsarbeit. Der Vortrag von Katharina Debus hat dazu angeregt, mehr über Affekte nachzudenken. Ein Thema, an dem wir auf jeden Fall dranbleiben werden!
F: Frauen als Türöffnerinnen
Bei Antifeminismus denken viele vielleicht an Männer und Glatzen – aber es gibt sie, die Frauen, die als Türöffnerinnen in die rechte Szene fungieren. Im Vortrag von Alice Juraschek diskutierten wir das essentialistische und biologistische Geschlechterbild in antifeministischen Bewegungen. Traditionelle Frauen- und Familienbilder mischen sich mit einem Wunsch nach der Herstellung einer angeblich „natürlichen“ hierarchisierten Geschlechterordnung und einer Sorge um den „Volkskörper“. Frauen – obwohl zum Teil Aushängeschilder der Rechten – werden als politische Subjekte dabei oft nicht ernst genommen und werden auch bei der Analyse von Antifeminismus oft übersehen. Alice betonte jedoch das gefährliche Identifikationspotential weiblicher Akteurinnen im Antifeminismus eindrücklich an einigen Praxisbeispielen.
G: Gewalt
Antifeministische Gewalt spielte als inhaltlicher Unterpunkt an verschiedenen Stellen immer wieder eine Rolle. Ein wichtiger, eher unsichtbarer Teil der Tagung war auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Sicherheit auf Veranstaltungen.
H: Hochschulen
A propos lernen – auch Hochschulen als Ort, an dem antifeministische Einstellungen artikuliert und verbreitet werden, wurde nicht ausgeklammert.
I: Intersektionalität
Der Vortrag von Judith Götz hat allen Zuhörer*innen vor Augen geführt, wie sinnvoll und fruchtbar der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sein kann. Unter anderem wurde deutlich gemacht, wie Antifeminismus mit anderen Ideologien der Ungleichheit verwoben ist. Etwas, was wir nochmal mitnehmen, ist auf jeden Fall, dass Intersektionalität keine Addition von Diskriminierungsdimensionen ist und es in der Bekämpfung von Diskriminierungen außerdem zentral ist, immer die zugrundeliegenden Ursachen und Strukturen in den Blick zu nehmen.
J: Junge Menschen
Ein zentraler Teil des Programms der Netzwerktagung drehte um Antifeminismus auf Plattformen wie TikTok, die besonders viel von jungen Menschen genutzt werden. Außerdem wurden mediale Projekte vorgestellt, die gerade auch jungen Menschen eine ansprechende, niedrigschwellige Auseinandersetzung mit dem Thema „Antifeminismus“ ermöglichen und mit denen Online-Radikalisierung entgegengewirkt werden kann.
Auch wenn aus feministischer intersektionaler Perspektive die Kritik an den Mega-Konzernen Meta, X und Co wichtig und richtig ist, dürfen wir liberalen und rechten Strömungen nicht diese für die Sozialisierung von Jugendlichen so wichtig gewordenen Plattformen überlassen.
K: Kinderrechte und Jungen*arbeit
Die Themen der Workshops der Netzwerktagung waren breit gefächert. So ging es in einem Workshop um Kinderrechte als Argumentationshilfe gegen antifeministische Bestrebungen, in anderen wurde auch über geschlechterreflektierte Jungen*arbeit und Rassismuskritik diskutiert.
L: LGBTIQ-Feindlichkeit und Transfeindlichkeit
In verschiedenen Workshops wurde auch die enge Verbindung von Antifeminismus und Queerfeindlichkeit aufgezeigt und mögliche Argumentationsstrategien gegen queerfeindliche Propaganda diskutiert.
M: Medien
Ein Beispiel, wie soziale Medien gegen Antifeminismus eingesetzt werden können, zeigt die Arbeit von Duke Duong. In seinem Inputvortrag sprach der als @trans.parenz bekannte Influencer von seinen narrativen Videoformaten, die auch Menschen abholen, die (noch) nicht feministisch sozialisiert sind. Duke erklärte am Beispiel seiner Reihe zu (öffentlichen) Toilettendramen lustig, locker und vor allem nachvollziehbar von seinen Alltagsherausforderungen als trans Mann. Humor sei dabei eine Chance, Empathie, Verständnis und Neugier zu wecken.
N: Noch viel mehr...
An dieser Stelle hört unser kleiner Rückblick auch schon auf, obwohl das Alphabet noch nicht vorbei ist und nicht alle spannenden Debatten genau nachgezeichnet werden konnten. Genauso wenig ist aber auch die Beschäftigung mit Antifeminismus und das Nachdenken über effektive Gegenstrategien vorbei. Die Arbeit des Verbundprojekts geht weiter und auch das vielfältige Engagement der Gäst*innen. Danke an alle Beteiligten für die erfolgreiche und inspirierende Tagung!